Helene Hegemann - Axolotl Roadkill

"Alle wollen immer nur irgendwas erleben oder Erfahrungen machen. Alle wollen ein halbes Jahr ihres Lebnes in Tansania verbracht oder auf einem Baum in Burkina Faso dreieinhalb Kakalaken gegessen haben. (...) Demnächst werde ich irgendjemandem mutwillig fünfzig Löcher in die Lungengegend schießen, um den Rest meines Lebens im Gefängtnis verbringen zu dürfen und um dann endlich kein Teil dieser Gesellschaft mehr sein zu müssen, in der man zu nichts anderem mehr verpflichtet ist als zu dieser ständigen Verantwortung für sein eigenes Ansehen." (S116)



Verlag: ullstein
Seiten: 208

Warum dieses Buch: Das kann ich kurz und prägnant erklären. Es enthält die Farben schwarz und rosa, es hat ein Axolotl auf dem Cover und war in meiner bevorzugten Buchhandlung auf 3,99 Euro heruntergesetzt weil Mängelexemplar

Das sagt der Klappentext: Radikal, klug, abgründig. Helene Hegemann erzählt in ihrem ersten Roman vom Leben in einer Welt, die sich von allen Konventionen befreit hat. "Ich bin sechzehn Jahre alt und momentan zu nichts anderem mehr in der Lage, als mich trotz kolossaler Erschöpfung in Zusammenhängen etablieren zu wollen, die nichts mit der Gesellschaft zu tun haben, in der ich zur Schule gehe und depressiv bin. Ich bin in Berlin. Es geht um meine Wahnvorstellungen."

Das sage ich: Wir wissen also: Die Protagonistin lebt in Berlin, ist sechzehn (was für ein goldiges Alter!) und leidet unter Wahnvorstellungen.
Ich finde ja, wenn es um Wahnvorstellungen geht, kann man einiges, was man sonst vielleicht für unpassend halten würde, mal durchgehen lassen. Zum Beispiel, dass man oft nicht weiß, welche Figur gerade spricht, oder dass die Handlung eigentlich gar keine ist und sich nur im Schneckentempo vorwärts bewegt.
Das ist okay, das gehört dazu, das passt zu den beschriebenen Wahnvorstellungen.
Aber alles kann man deswegen dann auch nicht gut finden.
Was mich ganz unglaublich gestört hat, ist die ständige Verwendung von böser Fäkalsprache um der Fäkalsprache willen oder zu gähnend langweiligen Provokationszwecken. Noch schlimmer fand ich aber diesen Haufen Schimpfwörter einerseits, der möglichst viel Bezug zur Realität suggeriert und das dramatisch-pathetische 16-jährigen-Geblubber andererseits, die die ganze Authentizität meiner Meinung nach komplett zunichte machen und ins Lächerliche ziehen.

Zwischen den Kapiteln welchselt der Stil immer wieder kurz in Emailform, das lockert die Handlung ein bisschen auf, treibt sie voran und gibt Erkärungen, ohne die ich vielleicht das ganze Buch als Schrott abgestempelt hätte. Auch das Ende geht ein bisschen mehr in Richtung Handlung und hat mich wieder etwas positiver gestimmt. Auch die Beschreibung der Wahnvorstellungen an sich empfand ich eigentlich als ziemlich gelungen.

Zu den Plagiatsvorwürfen äußere ich mich jetzt mal nicht. Obwohl ich eine Ausgabe habe, bei der einige Zitate im Anhang gekennzeichnet sind. Und (na gut, jetzt äußere ich mich doch) ich dachte nur: Waaahnsinn, ist das viel, was war dann überhaupt ihre eigene Idee? Nichts gegen das Konzept der Intertextualität und nichts gegen "eine neue Generation von Autoren" zu der Hegemann angeblich angab zu gehören... Aber das ist wie mit Übersetzungen, wenn ich kann, lese ich am liebsten das Original. Und finde es fast schade, dass nicht Strobo in meiner Buchhandlung auf 3,99 runtergesetzt war.


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