William Gibson & Bruce Sterling - Die Differenzmaschine
"Durch das Glas war ein großer Saal mit aufragenden Maschinen zu sehen - so viele, dass Mallory zuerst dachte, die Wände müssten verspiegelt sein, wie in einem feinen Ballsaal. Es war wie ein Stück Illusionskunst, mit dem Ziel, das Auge zu täuschen - die mächtigen, identischen Maschinen, uhrenähnliche Konstruktionen aus kompliziert ineinandergreifendem Messing, groß wie aufgestellte Güterwaggons, jede auf fußhohen gepolsterten Lagern." S. 206
Verlag: Heyne
Seiten: 624
Originaltitel: The Difference Engine
Warum dieses Buch: In einer spontanen Begeisterung für Steampunk und einem ebenso spontanen Kaufrausch im Sommer vor zwei Jahren hab ich das Buch mal aus einer Buchhandlung mitgenommen. Zu dieser Zeit war mein SuB aber bereits so groß, dass es direkt ins Regal gewandert ist, wo ich es diesen Monat auf der Suche nach einem grauen Buch für die Regenbogenchallenge wieder entdeckt habe. Oje, ich hab wohl zu viele Bücher :(
Das sagt der Klappentext: Eine Zeit in der Computer das Leben der Menschen beherrschen. Eine Zeit, in der ein perfektioniertes Überwachungssystem jeden Winkel der Welt erfasst hat. Aber es ist nicht unsere Zeit. Es ist das Jahr 1855...
Das sage ich: Viele der neueren Rezensionen von Amazon lassen nur wenig gute Haare an diesem Buch. Es sei zu verwirrend, heißt es da meistens.
Ganz so kann ich das eigentlich nicht unterschreiben. Es ist verwirrend, ja, aber es ist gleichzeitig brilliant geschrieben und beim Lesen wird deutlich, wie viel Überlegungen und Arbeit die Autoren in dieses Buch gesteckt haben.
Die Geschichte ist in "fünf Iterationen" und einen "Modus" unterteilt. In den Iterationen wechseln meist die Hauptfiguren, aus denen die umfassende politische Geschichte erzählt wird. Ganz besonders faszinierend fand ich das Bild, dass sich so nach und nach aus kleinen Puzzlestücken zusammensetzt. Da wird gleich zu Anfang eine Person erwähnt die völlig unerwartet später wieder auftaucht und so eine dunkle Ecke der Geschichte erhellt. Schöne Aha!-Erlebnisse zwischen den vielen Seiten.
Natürlich ist es auch schade, dass man so abrupt nach einem Kapitel von den lieb gewonnenen Protagonisten Abschied nehmen muss, aber es kommen ja neue nach, also halb so schlimm...
Zugegeben, irgendwann kam auch bei mir der Punkt, an dem ich ganz einfach nicht mehr mitgekommen bin. Aber "Augen zu und durch", hab ich mir gedacht und das war gut. Denn obwohl ich nicht die vollen Ausmaße dieser gesellschaftlichen Verstrickungen verstanden habe, hat sich am Ende doch ein ziemlich klares Bild ergeben. Zu gewissen Erkenntnissen verhilft das letzte Kapitel, der "Modus", in dem die Geschichte nicht weiter erzählt, sondern in verschiedenen Dokumenten wie Briefen, Zeitungsartikeln usw. aus unterschiedlichen Winkeln beleuchtet wird.
Einige Stellen fand ich dann doch ein bisschen unzureichend beschrieben. Auch wenn im weiteren Verlauf deutlich wird, was genau passiert ist, hatte ich ein bisschen den Eindruck die Autoren ließen uns Leser mit einer Aussage wie "In London war es in diesem Sommer sehr heiß, darum brach Anarchie aus." stehen. Es ist zwar klar, dass da mehr dahinter steckt, die Zusammenhange hätten an diesem Punkt aber irgendwie mehr erläutert werden müssen. So hab ich mich doch immerhin ca. zwanzig Seiten lang geärgert. Zu allem Überfluss folgt nach den zwanzig Seiten eine weitere Passage, mit der ich meine Schwierigkeiten hatte.. Ich empfand sie als unrealistisch und ihr Ende dann ziemlich plump.
Schwierig, das ohne Spoiler zu schreiben, ich sage nur: Ein, zwei Stellen hätte ich mir mehr ausgearbeitet und erläutert gewünscht.
Auch in diesem Buch habe ich eine Stelle gefunden, die mir bis zum Ende im Gedächtnis geblieben ist. Könnte aus meinem Leben sein, darum muss sie hier verewigt werden:
"Natürlich, es ist hier ein feines Arbeiten, wenn Sie in den oberen Stockwerken sitzen und einer von den großen Herren sind. (...) Aber hauptsächlich sind für die Arbeit kleine Leute nötig. Uns brauchen sie zu Hunderten. Wir kommen und gehen. Zwei Jahre von dieser Arbeit, vielleicht drei, dann sind die Augen und die Nerven hinüber. (...) Sie sehen uns kleine Handlanger alle gleich gekleidet, wie weiße Tauben, und ich wette, Sir, Sie glauben, wir seien innen auch alle gleich. Aber das sind wir nicht Sir, absolut nicht." S. 209
Nur eines noch, ein bisschen Off-Topic, zum Abschluss. WARUM lese ich so oft Bücher, in denen Gewalt gegen Ratten
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