Christoph Marzi - Lumen. Die uralte Metropole
"Behutsam schoben wir uns durch die Berge alter Post. Abertausende von Briefen, verfasst in tausenden Handschriften. Unzählige Füllfederhalter und Bleistifte waren von Händen geführt worden, die längst nicht mehr als kahle Knochen waren. Von Händen, die gezittert haben mochten, weil sie die Zeilen an die Liebste oder den Liebsten verfasst hatten. Händen, die um Formulierungen gerungen hatten. Händen, die einander hatten berühren wollen und in Ermangelung dieser Möglichkeit nach Worten gesucht hatten, die Berührungen gleichgekommen waren." (S. 37)
"Niemand, dachte sie, ist wirklich einsam, wenn er sich in der Gesellschaft von Büchern befindet." (S. 72)
Verlag: Heyne
Seiten: 796
Das sagt der Klappentext: Emily Laing und das Rätsel der Uralten Metropole
Als Emily an einem verschneiten Wintertag ihrem Freund küsst, ahnt sie nicht, dass ihr Leben eine dramatische Wendung nehmen wird. Plötzlich ist sie wieder allein, und seltsame Nebel verbreiten Angst und Schrecken in London. Sie scheinen im fernen Prag ihren Anfang genommen zu haben, und so müssen sich Emily und ihr mürrischer Mentor Wittgenstein einem gefährlichen Gegner stellen. Denn in und unter den Gassen der mystischen Stadt an der Moldau holt eine uralte Gemeinschaft zu einem großen Schlag gegen die Uralte Metropole aus...
Das sage ich: Vorsicht! Da es sich bei Lumen um den dritten Band einer Reihe handelt, könnte es sein, dass sich in diese Rezension Spoiler eingeschlichen haben. Weiterlesen also auf eigene Gefahr!
Erst das Offensichtliche: Das Cover meiner Ausgabe von Lumen passt schön in die Reihe und ist genauso hübsch wie das der ersten beiden Teile. Irgendwo habe ich es ja schon geschrieben,... Das Cover war ausschlaggebend dafür, dass ich den ersten Teil gekauft habe... Das kann schon einiges ausmachen...
Die Figuren in Lumen sind uns größtenteils schon aus Lycidas und Lilith bekannt. Emily ist jetzt achtzehn und schon das mag ich an der Reihe sehr. Dass man als Leser mit den Figuren älter wird. So hängt man noch ein Stück mehr an ihnen. Leider ist man dann noch trauriger wenn man das Buch beendet hat...
Auch sonst ist das Buch übrigens eine gelungene Fortsetzung seiner Vorgänger. Und ich meine sehr, sehr gelungen. Meistens finde ich es ja extrem schwierig Mehrteiler zu lesen. Da ist zwischen Teil X und Teil Y dann eine Menge Zeit vergangen und man kann sich nicht mehr gut erinnern und viele Autoren lassen einen diesbezüglich dann ja auch ziemlich im Regen stehen.
Nicht so bei Lumen! Immer wieder werden Bezüge zu den vorigen Bänden hergestellt, Personen bzw. Ereignisse ins Gedächtnis gerufen und Zusammenhänge erklärt. Und zwar in perfektem Ausmaß. Es ist nicht so, als würde man eine gesamte Zusammenfassung des bisher geschehenen auf 100 Seiten wiedervorgekaut bekommen, aber man wird eben auch nicht einfach so in die Handlung geworfen. Die Gedächtnisstützen sind unauffällig und unaufdringlich im Buch verteilt, sie helfen, aber stören nicht. Perfekt!
Der Schreibstil Marzis ist auch in Lumen ganz, ganz großartig wunderbar literarisch und schön passend. Unter anderen Umständen wäre mir der Stil vielleicht zu pathetisch vorgekommen, aber.. ich weiß auch nicht... Master Wittgenstein darf das. Tatsächlich glaube ich, dass es an dem mürrischen Erzähler selbst liegt, dass mich dieser Stil nicht stört. Große Worte und sich wiederholende Wendungen passen einfach zu ihm. Aber fragt nicht mich...
Dazu kommen wieder die altbekannten großartigen intertextuellen Verweise, die einem aus jeder Zeile entgegenhüpfen und die ich so liebe! Irgendwann werde ich die Bücher noch einmal lesen und allen Verweisen auf den Grund zu gehen versuchen... Eine schöne Aufgabe fürs hohe Alter.
Was soll ich noch sagen... Ich bin einfach so richtig begeistert von diesem Buch. Perfekter Stil, perfekte Spannung und das Ende... DAS ENDE!!! Ich bin immer noch ganz fertig...
Ich mache es einfach kurz: Ich gebe dem Buch fünf Punkte, was sogar mehr ist, als ich dem zweiten Teil gegeben habe. Auch wenn beide Teile gleichermaßen spannend und sich im Prinzip sehr ähnlich sind, hat mich Lumen weniger verwirrt als Lilith. Die Handlung war eine Spur besser nachzuvollziehen und Lumen hätte in Wahrheit sowieso gleich zehn punkte verdient.
Fairerweise möchte ich am Schluss noch anmerken, dass bestimmt nicht jeder die Uralte-Metropole-Reihe mögen wird. Der Schreibstil ist schon sehr eigen, weil ziemlich verschachtelt und die Handlungsstränge sind so verworren, das mag man... oder man mag es nicht. In jedem Fall ähneln sich die drei Teile sehr und ich wage zu behaupten: Wer Lycidas nicht gemocht hat, dem werden auch Lilith und Lumen nicht gefallen. Alle anderen sollten Lumen auf alle Fälle eine Chance geben!
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