Christoph Marzi - Lilith. Die Uralte Metropole
"»Viele der alten Götter leben jetzt hier«, sagte Anubis, »schon lange.« Und in kurzen Worten berichtete er von Khnum, der ein Geschäft für griechische Spezialitäten in Camden Town betreibt, und Sachmet, die Naturheilkunde in Stanmore lehrt. Von Horus, der einst mit einem magischen Wesen aus dem Land hinter den Wassern den Vogel Roch gezeugt hat und nun als Elektriker in Cudbury Hill arbeitet. Und von Sobek und Wadjit, die beide im Londoner Zoo arbeiten." (S. 220)
Verlag: Heyne
Seiten: 686
Warum dieses Buch: Ich habe den ersten Teil gekauft, weil ich das Cover so ansprechend fand und viel zu viel Zeit in einem Geschäft mit viel zu vielen Büchern verbracht habe. Und weil sich der erste Teil in meinem Regal so alleine gefühlt hat (und natürlich auch, weil er mir sehr gut gefallen hat), habe ich mir den zweiten und dritten Teil auch noch geholt. Oder schenken lassen. Weiß ich jetzt nicht mehr ;)
Das sagt der Klappentext: Als Emily eines stürmischen Nachmittags erfährt, dass ihre beste Freundin Aurora im Zug von Konstantinopel nach London spurlos verschwunden ist, weiß sie sofort, dass dies mit Ereignissen in der Uralten Metropole zu tun hat. Ein Hinweis des Jungen mit den tiefdunklen Augen führt Emily nach Paris. Dort, unter Engeln und Sphinxen, beginnt für das Waisenmädchen ein Wettlauf gegen die Zeit. Denn in der Stadt an der Seine ist nichts, wie es scheint...
Das sage ich:
Vorsicht! Da es sich bei Lilith um den zweiten Band einer Reihe handelt, könnte es sein, dass sich in diese Rezension Spoiler eingeschlichen haben. Weiterlesen also auf eigene Gefahr!
Ich möchte mich bei dieser Rezension ein bisschen an meiner Rezension vom ersten Teil orientieren. Dort schrub (!) ich, wie schwierig es war das Konzept (und die Reihenfolge) dieser Reihe zu verstehen... Gerade jetzt, als ich dachte, ich hätte verstanden es hier mit einer Trilogie zu tun zu haben, ist PLÖTZLICH ein Vierter Teil aufgetaucht...
Naja, natürlich nicht ganz so plötzlich, den vierten Teil gibt es anscheinend auch schon ewig lang, aber ich persönlich habe gerade erst von seiner Existenz erfahren. Zu allem Überfluss ist das Coverdesign ein anderes als bei den ersten drei Teilen. Das wirft natürlich Fragen auf: Ist es tatsächlich eine Fortsetzung oder eher eine Zugabe? Warum kommt denn Emily nicht in dem Klappentext des vierten Teiles vor? usw. usf.
Ich sage euch, ich kapituliere. Ich werde irgendwann Teil drei lesen, dann um den vierten Band herumschleichen und warten, dass sich die Erkenntisse, WAS genau es mit dieser Reihe auf sich hat, von alleine einstellen.
Das Cover von Lilith ähnelt in seiner Gestaltung der des ersten Teiles und ich finde es wirklich wunderhübsch. Leider passt es überhaupt nicht zum Inhalt des Buches. Mal abgesehen davon, dass die Protagonistin keine schwarzen Haare hat, wie das Mädchen auf dem Cover, wirkt das Cover viel zu kindlich und verspielt. Verspielt ist zwar auch Marzis Schreibstil, aber das wars dann auch schon. Von der Covergestaltung her, würde ich annehmen, es mit einem lustigen Buch für Jugendliche zu tun zu haben, aber da liegt man völlig daneben. Das sei noch einmal gesagt.
Nun aber zu dem was uns alle am brennendsten interessiert, zum Inhalt. Wie auch schon im ersten Teil hat mich der Schreibstil des Autors in Lilith absolut begeistert. Die intertextuellen Verweise tropfen nur so aus den Seiten und sowas liebe ich ja...
Die Sätze sind kunstvoll konstruiert, die Erzählweise herrlich verworren, sodass die Leser wirklich gefordert sind, mitzudenken. Wie auch Lycidas ist Lilith in Ich-Form aus der Sicht Master Wittgensteins geschrieben. Dieser springt in seinen Erzählungen gerne mal hin und zurück und wirft immer wieder augenrollend seine Lieblingssätze ein. Unterbrochen wird die Ich-Erzhälung zwei mal durch die Aufzeichnungen einer anderen Figur, die sich im Stil tatsächlich von der Erzählung Wittgensteins untesrcheiden. Ich fand diese Abwechslung wunderbar, obwohl die Aufzeichnungen anfangs ein bisschen gekünstelt gewirkt haben. Würde man in seinem Tagebuch wirklich direkte Rede verwenden? Selbst wenn wir das damit rechtfertigen, dass diese Aufzeichnungen Jahre später zu einem bestimmten Zweck geschrieben worden sind, wirkt es dann etwas merkwürdig, dass sich die Schreibende SO detailliert an die Ereignisse erinnert, die sie beschreibt...
Trotzdem schaffen es die Aufzeichnung, der Geschichte eine gewisse Richtung zu geben. Das ist gut, denn die Geschichte ist (wie die Reihe nun mal ist) sehr, sehr verwirrend und verworren. Da fügen sich Teile und Legenden aneinander, da tauchen Personen in der Geschichte mehrmals unter völlig verschiedenen Namen auf... Es ist eine Freude! Auch wenn sich stellenweise das Hirn verknotet.
Leider habe ich mich an der einen oder anderen Stelle ein bisschen allein gelassen gefühlt. Bei einem so bedeutungsschwangeren Schreibstil kommt es unerwartet, dass etwas für die Handlung unglaublich Wichtiges nur so kurz erzählt wird, dass man es einige Seiten später vergessen hat. Das hat mir große Verwirrung bereitet. Wichtige Kämpfe, die über Leben und Tod entscheiden, kommen ganz plötzlich und sind genauso schnell wieder vorbei, und plötzlich hat man eine lieb gewonnene Figur verloren und muss sich damit abfinden.
Außerdem gibt es da einige Handlungsfäden die nicht ausgesponnen werden, sodass man sich am Ende fragen muss, wozu das jetzt gut gewesen ist. Es wirkt ein bisschen, als hätte der Autor da etwas vergessen. Oder hat der/die Lesende etwas überlesen? Auch nicht besser.
Darum gebe ich Lilith vier Punkte, weil es für mich einerseits ein künstlerisch großartiges Buch ist mich aber andererseits so verwirrt hat, dass es für fünf einfach nicht reicht.
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